Compliance leichtgemacht

Der Tag hat 24 Stunden und die sind manchmal viel zu schnell vorbei. Gerade wenn man in seiner Arbeit vertieft einem Ziel entgegenstrebt, ist man bisweilen geneigt, über das gesunde Maß hinaus dran zu bleiben. Das deutsche Arbeitszeitgesetz kennt die Möglichkeit, Mehrarbeit zu leisten, sieht aber im Gegenzug auch einen Ausgleich vor. Zu diesem Zweck müssen Unternehmer die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht, gem. § 16 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 ArbZG aufzeichnen und diese Aufzeichnungen gem. § 16 Abs. 2 S. 2 ArbZG zwei Jahre lang aufzubewahren.

Gibt es eine Pflicht – und wenn ja, für wen?

Diese deutsche Regelung kann allerdings nach den Schlussanträgen des Generalanwalts am EuGH Giovanni Pitruzella vom 31.01.2019 in der Rechtssache C-55/18 künftig dahin zu verstehen sein, dass es nicht ausreicht, lediglich die Mehrarbeit zu erfassen. Nach Auffassung des Generalanwalts sind Unternehmen vielmehr verpflichtet, ein System zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit von Vollzeitarbeitnehmern einzuführen. Die Mitgliedstaaten haben nach seiner Ansicht aber die Möglichkeit, Formen und Wege der Umsetzung dieser Verpflichtung zu bestimmen.

Der Generalanwalt äußerte sich zu einem Rechtsstreit, der in Spanien zwischen der dortigen Gewerkschaft „Federación de Comisiones Obreras (CCOO) gegen die Deutsche Bank SAE geführt wird. Pitruzella bezieht sich in seinen Darlegungen auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Die Richtlinienbestimmungen stünden nationalen Regelungen, die eine Verpflichtung zur Aufzeichnung der effektiven täglichen Arbeitszeit nicht vorsehen, entgegen.

Vom Recht zur Praxis

Juristen lösen dieses Problem nicht zwingend mit neuen Vorschriften, sondern einer richtlinienkonformen Auslegung der bestehenden Regeln. Das bedeutet, dass in die Regelung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit die von dem Generalanwalt formulierte Anforderung hineingelesen wird. Es sind also nicht nur Überstunden aufzuzeichnen, sondern die effektive tägliche Arbeitszeit.

Viele Betriebe stellt das noch vor keine besondere Herausforderung, denn schon zu Abrechnungszwecken wird die tägliche Arbeitszeit aufgezeichnet. Vielfach werden dazu Stundenzettel von den Mitarbeitern ausgefüllt. Aber man kann diese Aufzeichnungen durch die Digitalisierung der Stundenmitschreibung nicht nur rechtskonform, sondern auch wesentlich effizienter erledigen. Erforderlich ist, dass sich der Betriebsinhaber bzw. der Betriebsleiter eine Vorstellung davon bildet, wie sein Betrieb in Puncto Zeiterfassung für die Zukunft aufgestellt sein soll. Bei der Entwicklung einer Zielvorstellung helfen die eBusiness-Checks und die Beratungsangebote des eBZ.

Möglich ist eine digitale Zeiterfassung unter Verwendung des Smartphones der Mitarbeiter. Idealerweise wird dieses mit einer entsprechenden App ausgerüstet, die dem Mitarbeiter eine intuitive Bedienung – Start/Stopp/Pause – ermöglicht. Dadurch entfällt das nervige Ausrechnen der geleisteten Stunden. Es genügen ein Blick und ein Fingertipp auf dem Smartphone. Diese simple Zeiterfassung kann gemeinsam mit den Mitarbeitern sukzessive verfeinert, d.h. um konkrete Tätigkeiten, die bisher häufig in die Stundenzettel von Hand einzutragen waren, erweitert werden. So wird das händische Ausfüllen der der Stundenzettel überflüssig und die Informationen liegen digital vor.

Ist die Stundenmitschreibung dann auch noch mit einer Auswertungsfunktion versehen und mit der im Unternehmen eingesetzten ERP-Lösung verknüpft, muss man mit der Abrechnung von Leistungen gar nicht mehr warten, bis der vielleicht nicht sonderlich lesbar ausgefüllte Stundenzettel mühsam händisch in eine Vorlage übertragen wurde. Damit können Unternehmen nicht nur die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, sondern schaffen darüber hinaus echte Arbeitserleichterungen für die gesamte Belegschaft.

Zeiterfassung ist nicht alles

Wichtig ist zu wissen, dass es sich bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen selbst um einen Prozess handelt. Das bedeutet einerseits, dass Hau-Ruck- sowie Nacht-und-Nebel-Aktionen scheitern müssen. Andererseits müssen die Mitarbeiter aktiv in diesen Prozess eingebunden werden. Besteht ein Betriebsrat, sollte er möglichst frühzeitig eingebunden werden. Akzeptanz bei den Mitarbeitern kann nur durch Transparenz des Prozesses erreicht werden.

Nicht der Chef kontrolliert die Mitarbeiter, sondern die Mitarbeiter ihren Chef – hat der sich verkalkuliert in einem Angebot, deckt eine sinnvoll konfigurierte Zeiterfassung diese Fehler gnadenlos auf. Der Chef hat aber keinen Grund zur Scham, denn aus Fehlern kann man lernen und aus Schaden klug werden. Ein konstruktives Fehlermanagement stellt Fehler für die Zukunft ab, schafft höhere Zufriedenheit bei Kunden durch kontinuierliche Verbesserung des Kundenservice, bei Mitarbeitern durch eine nachhaltige Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes und selbstverständlich auch bei Betriebsleiter und Betriebsinhaber durch ein effizientes Ressourcenmanagement. Und das auch noch rechtskonform!

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